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Wenn gegensätzliche Meinungen aufeinanderprallen – das Polaritätsprinzip

Gänzlich unterschiedliche Meinungen zu einem Thema tauchen immer wieder auf. Die Migrationsproblematik war und ist ein Beispiel dafür, Corona ein weiteres. Beide Themen rufen völlig entgegengesetzte und scheinbar unvereinbare Meinungen hervor. Mit diesen Themenkreisen haben wir das Glück, eines der Grundprinzipien unserer Welt in einer sehr klaren Ausprägung miterleben zu dürfen. Wir sind uns oft nicht bewusst, was passiert, und auch deswegen schauen wir nicht hinter den Vorhang des Geschehens.

Unsere Welt ist durch die Polarität geprägt. Eines der hermetischen Gesetze ist das „Gesetz der Polarität“. Der Ausdruck Polarität beschwört einen Gegensatz herauf, der unvereinbar scheint, so als ginge nur das „Eine“ oder „Andere“. Aber ist das wirklich so?


Das Prinzip der Polarität


Alles ist zweifach, Alles hat zwei Pole, Alles hat sein Paar von Gegensätzlichkeiten; Gleich und ungleich ist dasselbe, Gegensätze sind identisch in der Natur, nur verschieden im Grad; Extreme berühren sich; Alle Wahrheiten sind nur halbe Wahrheiten; Alle Widersprüche können miteinander in Einklang gebracht werden.

(Kybalion)


Jede Sache hat demnach zwei Pole, sie besteht aus zwei Seiten, die sich gegenüber stehen und deswegen polar zueinander sind. Dennoch gehören beide Seiten zur selben Sache und sind nur unterschiedliche Ausdrucksformen eben derselben.

Nehmen wir die Schöpfungsgeschichte als Beispiel. Die Welt wird erschaffen durch die Schaffung von Polarität: die Trennung von Tag und Nacht, Licht und Schatten, hell und dunkel, zu Lande, im Meer etc. Wir können erkennen, dass unsere Welt aus „Gegensätzen“ besteht. Tag und Nacht sind für uns zwei Seiten unseres Lebensrhythmus, wir alle akzeptieren diesen Rhythmus. Die Gewichtung kann sehr unterschiedlich sein, z.B. haben wir nördlich des Polarkreises im Sommer keine Nacht, im Winter keinen Tag, aber über das Jahr gesehen gleicht sich das Verhältnis von Tag und Nacht aus.

An Tag und Nacht können wir auch sehen, dass es keinen klaren Übergang gibt: Ist Tag jetzt nur dann, wenn die Sonne scheint oder noch am Firmament sichtbar ist, wohin gehört die Dämmerung? Niemand legt einen Schalter um und sagt: eben war Tag, jetzt ist Nacht. Es gibt einen Übergangsbereich, die Dämmerung, sowohl morgens als auch abends. In diesem Übergangsbereich finden wir auch den Berührungspunkt zwischen beiden Zuständen.

Ähnlich können wir das bei Hitze und Kälte sehen. Wann beginnt Hitze, wann beginnt Kälte, ist das für uns immer gleich oder haben wir hier schon Unterschiede? Im Winter finden wir 20 Grad bereits sehr warm, in richtig heißen Sommern sind wir über 20 Grad sehr froh, weil es kühl und erfrischend ist.

Es gibt viele Begriffspaare, an denen wir dieses Prinzip sehen können: links und rechts, oben und unten, hell und dunkel, klein und groß, leise und laut. Natürlich gibt es auch Worte, die mit Wertungen von uns behaftet sind: gut und böse, positiv und negativ, richtig und falsch. An all diesen Beispielen können wir jedoch auch erkennen, dass es keine klare Abgrenzung gibt, wann etwas wirklich „gut“ oder „böse“ ist oder wann etwas klein oder groß ist.

Viel hängt vom eigenen Blickwinkel und der eigenen Perspektive ab.


Aber warum glauben wir, nur unser Blickwinkel sei der richtige?


Ein gutes Beispiel ist eine Medaille. Sie hat zwei Seiten, meist eine mit einer Zahl und eine mit einem Wappen. Sehe ich die Seite mit der Zahl, ist das die Wahrheit, die ich kenne. Ich bin überzeugt, dass eine Zahl darauf ist und kann mir gar nicht vorstellen, dass die andere Seite anders aussieht, dass dort ein Wappen ist. Dieses Wappen kann ich ja nicht sehen, es liegt auf der mir abgewandten Seite (im Schatten, hiermit beschäftigt sich das "Schattenprinzip"). Ein anderer Mensch steht aber vielleicht der anderen Seite der Medaille, er sieht nur das Wappen und natürlich gibt es in seiner Welt keine Zahl auf der Medaille. Es hilft aber nicht, wenn wir diesem Menschen sagen, seine Sicht ist falsch, denn das wird und kann unser Gegenüber nicht verstehen. Er sieht doch, was in seiner Welt als seiner Sicht richtig ist: das Wappen.

Beide Menschen schauen auf dieselbe Sache, aber eben aus einem komplett anderen Blickwinkel. Wir sehen nur die eine Seite und möchten oft nicht wahrhaben, dass es eine andere Sicht geben kann, die wir nicht kennen bzw. nicht kennen wollen.


Warum schauen wir nicht mal auf die andere Seite?


Es ist schwierig, seine Wahrheit und seine Sicht zu verlassen. Wir definieren uns über das, was wir wissen, wir halten uns oft auch daran fest. Unsere Sicht der Realität gibt uns Halt.

Wir können uns fragen, was uns denn passieren kann, wenn wir unseren Standpunkt einmal verschieben, um die Sicht der „anderen“ kennenzulernen? Das Schlimmste, was uns dabei passieren kann, ist, dass wir unser Weltbild erweitert haben und einen anderen Blickwinkel wahrgenommen haben. Es steht uns ja frei, unsere Sicht zu behalten, aber wäre es nicht ein Zeichen von Toleranz und Akzeptanz, zu versuchen, die andere Seite wenigstens kennenzulernen?

Könnten wir das Licht würdigen, wenn wir die Dunkelheit nicht kennen würden oder umgekehrt? Würden wir Freiheit vermissen, wenn wir nur Gefangenschaft kennen?

Es erfordert Mut, sich von seiner Seite der Medaille wegzubewegen, über den Rand seiner Medaillenseite hinauszuschauen. Es gibt viele Dinge, die uns daran hindern, unsere Erziehung, unsere Glaubenssätze, unsere Ängste, unser Status in der Gesellschaft und vieles mehr. Und es fordert vor allem deswegen Mut, weil wir feststellen könnten, dass das, was wir bisher geglaubt haben, relativ ist und nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit ausmacht.


Habe den Mut, die andere Seite anzuschauen!


Wenn wir lernen, die verschiedenen Seiten anzuschauen, dann wächst das Verständnis und auch der Respekt für andere Meinungen. Vielleicht gibt uns das die Möglichkeit in allem Schlechten auch etwas Gutes zu sehen oder von der anderen Seite in allem Guten auch etwas Schlechtes zu sehen. Am besten symbolisiert wird diese Polarität in meinen Augen durch das Yin-Yang-Symbol, wo sich beide Seiten aneinander anschmiegen und in jeder Seite die andere durch einen Punkt enthalten ist....

Ich wünsche uns allen, dass wir es immer öfter schaffen, die verschiedenen polarisierenden Seiten als das wahrzunehmen, was sie sind: Verschiedene Aspekte einer Sache, die nur zusammen das Ganze abbilden können. Und jeder kleine Teil in diesem großen Ganzen ist es wert respektiert zu werden. Wir müssen nicht alles gut finden, aber wir sollten versuchen, die Dinge von mehreren Perspektiven aus zu betrachten, um ein gutes Bild vom Ganzen zu bekommen.

Ich wünsche uns allen viel Mut und Respekt beim Kennenlernen der anderen Seite, von anderen Perspektiven und letztendlich der Schattenseiten unserer Sicht.

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